BGH-Urteil zur Prospekthaftung: Klare Abgrenzungen zur Vertriebsverantwortung

Das Urteil des BGH vom 24. Oktober 2023 festigt die bisherige Rechtsprechung.


BGH-Urteil zur Prospekthaftung – Klare Abgrenzungen zur Vertriebsverantwortung

Liebe Mandanten,

der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 24. Oktober 2023 (Aktenzeichen: II ZR 57/21) grundlegende Klarstellungen zur Prospekthaftung und zur Rolle der Vertriebsverantwortung bei Kapitalanlagen getroffen. Dieses Urteil festigt die bisherige Rechtsprechung und bietet wichtige Orientierungshilfen für alle Beteiligten im Bereich des Kapitalmarktrechts.

Hintergrund des Urteils

Im vorliegenden Fall ging es um eine Schiffsfondsgesellschaft, die als GmbH & Co. KG organisiert war. Anleger hatten auf Basis eines im Jahr 2010 veröffentlichten Verkaufsprospekts Anteile an der Gesellschaft erworben. Im Nachgang zur fehlgeschlagenen Investition wurden mehrere Gründungsgesellschafter sowie die Nachfolgerin der prospektverantwortlichen Gesellschaft verklagt. Die Kläger machten Ansprüche aufgrund vermeintlicher Prospektfehler geltend.

Das zentrale rechtliche Problem bestand in der Frage, ob die Gründungsgesellschafter auch dann für Fehler im Verkaufsprospekt haften, wenn sie lediglich kapitalmäßig an der geschäftsführenden Komplementärin beteiligt waren, ohne aktiv in den Vertrieb der Fondsanteile eingebunden gewesen zu sein.

Wesentliche Aussagen des Urteils

Der XI. Zivilsenat des BGH stellte klar, dass für eine Haftung wegen Prospektfehlern gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB mehr als nur eine kapitalmäßige Beteiligung erforderlich ist. Eine Haftung der Gründungsgesellschafter kommt nur dann in Betracht, wenn sie aktiv in den Vertrieb der Fondsanteile involviert waren und somit eine Vertrauensstellung bei den Anlegern eingenommen haben. Dies entspricht der Linie, die der BGH bereits in früheren Entscheidungen entwickelt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.07.2023 - XI ZB 20/21, BGHZ 237, 346; BGH, Beschl. v. 05.03.2024 - XI ZB 17/22, WM 2024, 887).

In Bezug auf die Vertriebsverantwortung hat der BGH deutlich gemacht, dass eine solche Verantwortung nicht allein durch die formale Rolle, beispielsweise als Treuhandkommanditist, entsteht. Vielmehr muss ein spezifischer Vertrauenstatbestand vorliegen, der dem Vertrauen, das Anleger einem Berater oder Vermittler entgegenbringen, gleichkommt (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2024 - XI ZR 489/21, Rn. 29).

Zudem bestätigte der BGH die Vorrangstellung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach dem Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) und dem Börsengesetz (BörsG) in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung. Die allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsnormen treten nur dann in den Vordergrund, wenn die spezialgesetzlichen Regelungen nicht greifen (vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, Handbuch der Prospekthaftung, 1. Aufl. 2024, § 10 Rn. 27 ff.).

Praktische Auswirkungen des Urteils

Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass die Haftung von Gründungsgesellschaftern in Prospekthaftungsfällen nur unter sehr spezifischen Umständen in Betracht kommt. Entscheidend ist dabei die aktive Beteiligung am Vertrieb und das damit einhergehende Vertrauen der Anleger. Unternehmen und Berater sollten daher ihre Rolle und Verantwortung im Vertrieb von Anlageprodukten sorgfältig prüfen, um Haftungsrisiken zu minimieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils betrifft die Verjährung von Ansprüchen. Der BGH hat nochmals bestätigt, dass Ansprüche aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung des Prospekts verjähren, unabhängig von der Kenntnis der Anleger über mögliche Fehler (vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, Handbuch der Prospekthaftung, 1. Aufl. 2024, § 14 Rn. 4).

Fazit

Dieses Urteil des BGH stärkt die Position von Anlegern, indem es klare Kriterien für die Haftung von Gründungsgesellschaftern festlegt und die Bedeutung der Vertriebsverantwortung unterstreicht. Für Emittenten und Vertriebsverantwortliche ist es daher unerlässlich, sich der hohen Anforderungen bewusst zu sein, die die Rechtsprechung an die Erstellung und den Vertrieb von Anlageprospekten stellt.

 

Sollten Sie Fragen zu den Implikationen dieses Urteils oder zur Prospekthaftung allgemein haben, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Ihr Redaktionsteam von Thesauros Law

Zurück zur Übersicht