Architektenhonorar nach Kündigung – BGH schränkt Teilklagen ein

Bundesgerichtshof fällt wichtiges Urteil zu Vergütungsansprüchen nach der freien Kündigung eines Werk- oder Architektenvertrages.


Liebe Mandanten,

was passiert mit dem Honorar eines Architekten oder Bauunternehmers, wenn der Auftraggeber den Vertrag vorzeitig beendet?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 19. Dezember 2024 (Az. VII ZR 130/22) ein wichtiges Urteil gefällt, das genau diese Frage klärt. Im Fokus stand die freie Kündigung eines Werk- oder Architektenvertrags durch den Besteller und die darauf basierenden Honoraransprüche des Auftragnehmers. Der BGH stellt klar, dass nach einer freien Kündigung gemäß § 649 Satz 2 BGB a.F. (jetzt § 648 Satz 2 BGB n.F.) ein einheitlicher Vergütungsanspruch besteht, der grundsätzlich erst nach einer vollständigen saldierenden Schlussrechnung geltend gemacht werden kann. Teilklagen – also Klagen, mit denen nur ein Teil des Anspruchs eingefordert wird – sind nur ausnahmsweise zulässig, nämlich dann, wenn der eingeklagte Teilbetrag klar abgegrenzt und hinreichend bestimmt ist. Diese Entscheidung bringt mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten in Bau- und Planungsverträgen.

Im folgenden Beitrag erläutern wir die Hintergründe der freien Kündigung, die Kernaussagen des Urteils und die praktischen Konsequenzen für Architekten, Bauunternehmer sowie ihre Auftraggeber.

Freie Kündigung und Kündigungsvergütung – rechtlicher Hintergrund

Das deutsche Werkvertragsrecht räumt dem Besteller (Auftraggeber) ein besonderes Kündigungsrecht ein. Gemäß § 648 BGB (früher § 649 BGB) kann der Besteller bis zur Vollendung des Werkes den Vertrag jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen. Dieses einseitige Lösungsrecht wird als freie Kündigung bezeichnet. Für den Auftragnehmer (z. B. Architekt oder Bauunternehmer) ist eine solche Kündigung natürlich kritisch – schließlich verliert er den Auftrag. Allerdings schützt das Gesetz den Auftragnehmer durch einen Honoraranspruch nach Kündigung, oft Kündigungsvergütung genannt.

Kündigt der Besteller, so behält der Unternehmer seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, muss sich jedoch das anrechnen lassen, was er infolge der Kündigung an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt (§ 648 Satz 2 BGB). Einfach gesagt: Der Architekt oder Unternehmer kann das volle vereinbarte Honorar verlangen, abzüglich ersparter Kosten und bereits erhaltener Zahlungen. In der Praxis bedeutet das, dass nach einer freien Kündigung eine Schlussrechnung erstellt werden muss. In dieser Schlussrechnung werden alle erbrachten Leistungen aufgelistet und bewertet – ebenso ggf. nicht erbrachte Leistungen (etwa noch offene Leistungsphasen bei Architekten) –, um die Gesamtvergütung zu ermitteln. Von dieser Gesamtvergütung zieht man alle Voraus- und Abschlagszahlungen ab, die der Unternehmer vom Auftraggeber bereits erhalten hat. Das Ergebnis dieser saldierenden Rechnung ist der Schlussrechnungssaldo. Nur wenn dieser Saldo positiv zugunsten des Unternehmers ist, besteht ein weiterer Zahlungsanspruch. Ist der Saldo null oder negativ (weil z. B. der Auftragnehmer durch die Kündigung Kosten gespart hat oder schon ausreichend Vorschüsse erhalten hat), kann kein weiteres Honorar verlangt werden. Wichtig ist dabei: Die einzelnen Rechnungsposten in der Schlussrechnung (für geleistete oder nicht geleistete Arbeiten) sind keine eigenständigen Forderungen. Sie sind lediglich Bestandteile der Gesamtabrechnung. Der Honoraranspruch nach Kündigung ist also einheitlich – er umfasst das ganze vertragliche Vergütungsgefüge, nicht mehrere separate Ansprüche.

BGH-Urteil: Teilklage nur bei klar abgrenzbarem Anspruch zulässig

Vor diesem Hintergrund hatte der BGH im Dezember 2024 folgenden Streit zu entscheiden: Ein Architekt machte nur einen Teil seines Honorars nach Kündigung gerichtlich geltend. Dabei wurden offenbar einzelne Posten aus seiner Rechnung herausgegriffen. Die Frage war, ob eine solche Teilklage zulässig ist, obwohl noch keine vollständige Schlussrechnung über das gesamte Projekt vorlag bzw. obwohl nicht der gesamte Saldo eingefordert wurde.

Der BGH hat hierzu unmissverständlich Position bezogen. Grundsätzlich gilt: Weil es sich um einen einheitlichen Vergütungsanspruch handelt, muss die Forderung in Gänze – also basierend auf der vollständigen Schlussrechnung – geltend gemacht werden. Eine Teilklage auf Vergütung nach § 648 BGB (bzw. früher § 649 BGB) ist unzulässig, wenn mit ihr lediglich einzelne unselbstständige Rechnungsposten eingefordert werden und kein eindeutig abgrenzbarer Teil des Schlussrechnungssaldos herausgegriffen wird.

Was bedeutet „abgrenzbarer Teilbetrag aus dem Schlussrechnungssaldo“? Damit sind Fälle gemeint, in denen der Teilanspruch, den man einklagt, bereits für sich genommen fest umrissen ist und sich aus der Gesamtabrechnung isoliert betrachten lässt. Ein Beispiel könnte sein, dass im Vertrag deutlich getrennte Leistungsbereiche vereinbart wurden (etwa zwei Bauabschnitte oder zwei Gebäude) und es wird nur das Honorar für den abgeschlossenen Teilbereich verlangt. Solch ein Anspruch wäre klar abgrenzbar. Nicht abgrenzbar wäre hingegen, wenn der Architekt rein einen Betrag X einklagt, der einigen seiner Leistungsphasen entspricht, ohne die Gesamtvergütung minus ersparte Aufwendungen endgültig zu berechnen. In letzterem Fall fehlt die klare Bestimmung, welche Teile des Gesamtanspruchs genau eingefordert werden – die Klage zielt dann nur auf unselbstständige Rechnungsposten, was nicht ausreicht.

Der BGH stützt diese Sicht auch auf prozessuale Anforderungen. Nach der Zivilprozessordnung muss der Klageantrag bestimmt sein (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Wenn aber nicht klar ist, wie der eingeklagte Teil mit dem Gesamtanspruch zusammenhängt, ist der Antrag zu unbestimmt. Zudem soll vermieden werden, dass durch mehrere Teilklagen womöglich widersprüchliche Entscheidungen ergehen oder der Auftragnehmer doppelt abrechnet. Deshalb die klare Linie: Ohne vollständige Schlussrechnung keine (vollständige) Honorarklage. Eine Teilklage ist nur dann ausnahmsweise möglich, wenn sie einen Teil des Anspruchs löst, der auch isoliert betrachtet bestehen kann – beispielsweise eine abschließende Teilleistung oder ein unstrittiger Mindestbetrag aus der Schlussabrechnung.

Praktische Konsequenzen für Architekten und Bauunternehmer

Für die Praxis in der Bau- und Immobilienwirtschaft hat dieses Urteil einige wichtige Implikationen. Architekten und Bauunternehmer sollten insbesondere Folgendes beachten:

  • Schlussrechnung erstellen: Nach einer freien Kündigung durch den Auftraggeber ist es ratsam, zeitnah eine vollständige Schlussrechnung aufzustellen. Alle erbrachten Leistungen und nicht erbrachten Leistungen sind darin zu berücksichtigen, ebenso bereits geflossene Zahlungen. So ermittelt man den tatsächlichen Saldo des Vergütungsanspruchs.

  • Teilklage gut abwägen: Überlegen Sie genau, ob Sie wirklich nur einen Teilbetrag einklagen sollten. In den meisten Fällen wird es erforderlich sein, den gesamten offenen Betrag auf Basis der Schlussrechnung geltend zu machen. Wollen Sie dennoch zunächst nur einen Teil fordern (z. B. um das Prozessrisiko zu verringern oder weil ein Teil unstreitig ist), muss dieser Anspruch klar eingrenzbar und nachvollziehbar aus der Gesamtabrechnung hervorgehen. Andernfalls riskieren Sie, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

  • Vertragsgestaltung prüfen: Es kann sinnvoll sein, schon bei der Vertragsgestaltung die Leistungen in getrennten Abschnitten zu definieren (z. B. Leistungsphasen bei Architektenverträgen eindeutig abschließen und abrechnen). Dann lässt sich im Streitfall eventuell ein bereits erbrachter Abschnitt als abgrenzbarer Teilanspruch leichter einklagen. Allerdings wird die freie Kündigung immer die Abrechnung des Gesamtvertrags erfordern – vollständige Sicherheit bietet nur die Schlussrechnung über alles.


Für Auftraggeber

Auch Bauherren bzw. Auftraggeber sollten das Urteil kennen. Verlangt ein Architekt nach Kündigung ein Honorar, sollten Sie auf einer prüfbaren Schlussrechnung bestehen. Wenn nur Einzelposten ohne Gesamtabschluss gefordert werden, ist Vorsicht geboten – möglicherweise können Sie die Einrede der Unzulässigkeit der Teilklage erheben. So stellen Sie sicher, nicht mehr zu zahlen als geschuldet und erhalten Klarheit über die gesamten finanziellen Folgen der Kündigung.

Insgesamt stärkt das BGH-Urteil die Klarheit und Transparenz bei der Abwicklung vorzeitig beendeter Bau- und Planungsverträge. Beide Seiten – Auftragnehmer wie Auftraggeber – wissen nun, dass am Ende eine Gesamtabrechnung stehen muss, bevor Ansprüche abschließend durchgesetzt werden.

Fazit

Die Entscheidung des BGH vom 19.12.2024 stellt unmissverständlich klar: Ohne saldierende Schlussrechnung kein voller Honoraranspruch. Der Vergütungsanspruch nach freier Kündigung ist ein einheitlicher Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, abzüglich ersparter Aufwendungen und bereits erhaltener Zahlungen – er entsteht als Ganzes und darf im Regelfall auch nur als Ganzes gerichtlich geltend gemacht werden. Teilklagen sind nur zulässig, wenn der geforderte Teilbetrag bereits für sich eindeutig bestimmbar und vom Gesamtanspruch trennbar ist. Architekten und Bauunternehmer tun gut daran, im Kündigungsfall schnell für eine vollständige Abrechnung zu sorgen, statt übereilt mit unvollständigen Forderungen vor Gericht zu ziehen.

 

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